B a n k r o t t   Auch eine Pleite der Rechtschreibreform

Von  R e i n h a r d  M a r k n e r
Frankfurter Allgemeine, 9. 4. 2002

Im Wörterverzeichnis, das dem Regelwerk der Rechtschreibreform angehängt ist, findet sich der Eintrag: „Bankrott [machen, gehen (in den Bankrott gehen) § 55(4)].“ Mit Hilfe des Querverweises wird Bankrott zu jenen Substantiven gezählt, „die Bestandteile fester Gefüge sind und nicht mit anderen Bestandteilen des Gefüges zusammengeschrieben werden“. Das in der Schreibung geänderte Gefüge „Bankrott gehen“ ist an der betreffenden Stelle des Regelwerks nicht unter den Beispielen aufgeführt. Genannt werden dort hingegen die Exempel „Recht haben/behalten/bekommen, Unrecht haben/behalten/bekommen“. Bekanntlich haben den Reformern diese von ihnen so genannten „Einzelfälle des Typs Substantiv + Verb“ besonders große Sorgen bereitet.

Nachdem die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung schon 1997 die Revision der veränderten Groß- und Kleinschreibung in diesem Bereich für „unumgänglich“ erklärt hatte, damit aber bei der Kultusministerkonferenz nicht durchgedrungen war, kommt sie in ihrem jüngst publik gewordenen dritten Geheimbericht (F.A.Z. vom 28. Februar) von neuem auf das unangenehme Thema zurück. Dabei präsentiert sie im Verlaufe der Erörterung von „Recht haben“ ein neues Argument. „Die französische Entsprechung avoir raison legt es nahe, dass in dieser Verbindung das Substantiv das Recht und nicht das Adjektiv recht vorliegt.“

Der überraschende sprachvergleichende Exkurs reizt dazu, sich an dem Kommissionsdissidenten Horst H. Munske ein Beispiel zu nehmen und dessen Betrachtungen zu „sogenannt“ und seinen Verwandten („Über lexikalischen Schrott“, in : Sprache im Leben der Zeit. Festschrift für Helmut Henne, Tübingen 2001) solche zu einer anderen europäischen Wortfamilie folgen zu lassen. Denn der Bankrott – zum Teil nur der betrügerische – wird paneuropäisch mit beinahe gleichlautenden Wörtern bezeichnet.

Woher stammen sie ? Die englische Schreibung „bankrupt“, „bankruptcy“ läßt auf eine Entlehnung aus dem Mittellateinischen schließen, die polnische „bankrut“, „bankructwo“ auf einen Umweg über das Französische. Am wahrscheinlichsten ist aber wohl die Annahme, daß Bankrott ebenso wie Agio, Giro und andere finanztechnische Begriffe ursprünglich aus dem frühneuzeitlichen Italienisch in den Wortschatz des Deutschen und in ähnlicher Form auch in den der meisten anderen europäischen Sprachen eingegangen ist. Im Unterschied zu den letztgenannten Wörtern wurde das Wort dabei überall lautlich und schriftlich integriert.

Im Italienischen gibt es nur die „bancarotta“, nicht hingegen ein Adjektiv „bancarotto“ (hierfür hat man „fallito“ und „insolvente“). Entsprechend liegen die Verhältnisse im Französischen: Neben das Ereignis der „banqueroute“ tritt noch der Verursacher, der „banqueroutier“, der aber „insolvable“ und nicht etwa „banquerout“ ist. In den meisten anderen europäischen Sprachen jedoch sprießen aus der gleichen Wurzel sowohl Substantive wie Adjektive. Für das Deutsche, wo beide gleichlautend sind, wird dies von den Reformern auch gar nicht bestritten ; sie gehen aber im Falle von „Bankrott gehen“ ebenso wie bei „Pleite gehen“ von einer „substantivischen Auffassung“ des ersten Bestandteils des Gefüges aus. Angeblich handelt es sich um die „Verkürzung einer Präpositionalphrase“. Diese nicht näher begründete Annahme steht hinter dem erläuternd gemeinten Zusatz des Wörterverzeichnisses : „in den Bankrott gehen“. Der Zusammenhang mit Wendungen wie „kaputt/verloren gehen“ liegt natürlich bedeutend näher.

Es trifft sich nun, daß es nicht nur für „Bankrott“ und „bankrott“, sondern darüber hinaus auch für „bankrott gehen“ genaue Entsprechungen in anderen germanischen Sprachen gibt. So sagen die Dänen „gå bankerot“, und auch vor dem 1948 erfolgten Verzicht auf die Groß- und Kleinschreibung nach deutschem Muster schrieb sich das mit kleinem b. Noch deutlicher zeigt der englische Usus, wie abwegig die von den Reformern – wohlgemerkt für eine obligatorische Neuschreibung – ins Feld geführte „substantivische Auffassung“ ist. Hier heißt es nämlich „(to) go bankrupt“. Auch ohne Hauptwortgroßschreibung liegen die grammatikalischen Verhältnisse klar zutage. Das dem deutschen Bankrott entsprechende englische Substantiv heißt „bankruptcy“. Zwar kann auch „bankrupt“ ein Substantiv sein, dann aber in der Bedeutung Bankrotteur. Teilte ein Sprecher des Englischen die Interpretation der deutschen Rechtschreibreformer, so müßte er „he went bankruptcy“ schreiben, als Verkürzung von „he went into bankruptcy“. Es sind jedoch keine derartigen Fälle bekannt, und es steht auch nicht zu befürchten, daß im staatlichen Auftrag handelnde Sprachplaner diese Wendung in die englische Sprache einführen werden.